fbpx

Interview - Fair Fashion Blog

Interview mit der Gründerin von Alicia Victoria

Alicia Linz ist die Gründerin des nachhaltigen Accessoires-Labels Alicia Victoria. Das Label produziert und verkauft Taschen, die eine konsequente Nutzung des Rohstoffs Leder gewährleisten, eine Transparenz hinsichtlich dessen Herkunft herstellen und eine neue Perspektive auf dessen Nutzung ermöglichen. Im Interview mit dem Fair Fashion Blog hat sie sechs Fragen beantwortet.

Was motivierte dich dazu, Alicia Victoria zu gründen?

Die Idee kam mir während meines Designstudiums. Bei der Besichtigung einer kleinen, traditionellen Gerberei in Hamburg wurde ich auf Leder aufmerksam, das zum Basteln verkauft wird. Das Leder wurde aussortiert, da es kleine Löcher und Unebenheiten aufwies. Diese Tatsache lies mich nicht mehr los. Mich begleitete fortan die Frage, ob diese Selektion immer so streng verläuft. Ich fing an zu recherchieren und stieß dabei auf einige Missstände in der Branche: Ein Großteil des Rohstoffs bleibt ungenutzt und wird entsorgt, da es ein Abfallprodukt der Fleischindustrie ist. Und auch bei dem Leder, das für die Weiterverarbeitung verwendet wird, wird ein Großteil entsorgt, da es natürliche Narben und Löcher aufweist. Es wird den klassischen Ansprüchen der Modebranche nicht gerecht. Diese Unebenheiten machen Leder für mich gerade so einzigartig. Mich schockierte es zu sehen, wie viel von diesem wertvollen Rohstoff weggeworfen wird. Die meisten Konsument*innen wissen davon nichts, deswegen beschloss ich, selbst aktiv zu werden und auf diesen Missstand aufmerksam zu machen. 2017 gründete ich Alicia Victoria mit der Mission, die Tierhaut konsequent zu nutzen. Mittlerweile motiviert mich aber auch die positive Resonanz und das Interesse an dem Produkt und meinem Label. Als junge Designerin freut es mich unglaublich zu sehen, dass meine Produkte und der Ansatz dahinter Interesse wecken.

 

Woher bezieht ihr das Leder für eure Taschen und sind es ausschließlich Überbleibsel, die ihr nutzt?

Für unsere Taschen nutzen wir Leder von Tieren, die für die internationale Fleischproduktion geschlachtet werden – man kann also durchaus von Überbleibseln sprechen. Für unsere jetzige Kollektion beziehen wir ausschließlich Rindsleder von kolumbianischen Bio-Bauernhöfen. In Zukunft werden wir auch Leder aus Deutschland nutzen und verstärkt regional arbeiten. Für unser nächstes Produkt, ein Portemonnaie, arbeiten wir schon mit deutschen Bio-Bauern zusammen. Wie bereits gesagt, wird normalerweise nur ein kleiner Teil der Haut der Tiere für die Lederproduktion verwendet und der Rest entsorgt. Für unsere Produkte nutzen wir die gesamte Tierhaut. So möchten wir uns ganz klar positionieren – für einen umfangreichen und konsequenten Umgang mit und gegen die Verschwendung der Ressource.

 

Werden noch weitere Materialien für die Ledertaschen verwendet?

Unsere Handtaschen bestehen aus Bio-Rindsleder, das pflanzlich gegerbt wird. Auch die Innenverarbeitung der Handtasche ist aus gespaltenem Leder gefertigt. Unsere Reißverschlüsse, Knöpfe und Leisten sind aus Messing und werden in Deutschland und in der Schweiz gefertigt. Qualität, Herkunft und Langlebigkeit sind uns bei allen Materialien sehr wichtig. Dieser Anspruch bezieht sich selbstverständlich, neben den offensichtlichen Materialien, auch auf die Auswahl des Garns und der Pappen, die zur Verstärkung der Innenverarbeitung benötigt werden.

 

Wo werden die Alicia Victoria Taschen hergestellt?

Unsere Taschen werden in einem kleinen Familienunternehmen in Bogota, in Kolumbien produziert. Wir waren selbst sieben Monate vor Ort, um passende Partner*innen für die Herstellung zu finden. Uns war wichtig, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die unsere Vision teilen und gleichzeitig sorgfältig und präzise arbeiten. Außerdem haben wir natürlich auf faire Arbeitsbedingungen geachtet und überprüft, dass Sozialstandards eingehalten werden. Die Manufaktur, die unsere Taschen herstellt, ist auf hochwertige und exklusive Lederwaren spezialisiert. Die Hingabe der Mitarbeiter*innen hat mich direkt überzeugt. Es herrscht ein familiäres und warmherziges Arbeitsklima, welches zum mitanpacken angeregt hat.

Die aktuelle Produktion, mit unserem Portemonnaie, findet in Brandenburg statt. Es war herausfordernd im hochpreisigen Segment eine regionale Manufaktur zu finden, die bereit war sich mit unserem Konzept auseinanderzusetzen. Die Regionalität lag uns von Beginn an am Herzen und wir sind unheimlich glücklich fortlaufend regionaler und zunehmend konsequenter in unserer Arbeit werden zu können.

 

Ihr habt aktuell mit “Die Charakterstarke”, “Die Besondere” und “Die Feine” drei Modelle in eurem Sortiment. Sind noch weitere Modelle geplant oder soll es bewusst nur eine kleine Kollektion bleiben?

Wir versuchen ein kollektionsloses Sortiment beizubehalten. Da unsere Taschen ein zeitloses Design haben und hochwertig produziert sind, sollen sie unseren Kund*innen lange Zeit Freude bereiten und ganz unabhängig von neuen Trends getragen werden können. Die Modellbezeichnungen “Die Charakterstarke”, “Die Besondere” und “Die Feine“ beziehen sich jedoch auf alle kommenden Produkte. Da wir uns für die ganzheitliche Nutzung einsetzen, entstehen in der Produktion ganz automatisch unterschiedliche Optiken. Im Grunde genommen stellen wir ausschließlich Unikate her. Kein Produkt gleicht dem anderen zu 100 Prozent. Diese wunderschöne Vielfalt versuchen wir mit Hilfe dieser Gruppen zu kommunizieren. Unabhängig davon bin ich als Designerin natürlich ständig dabei mich und meine Ideen weiterzuentwickeln. Wie bereits erwähnt, erweitert dieses Jahr ein neues Portemonnaie unser Sortiment. Darauf freue ich mich schon sehr!

 

Könntest du dir vorstellen, zukünftig, auch eine vegane Tasche auf den Markt zu bringen?

Es gibt bereits viele, tolle pflanzliche Lederalternativen, die echtem Leder nah kommen. Ich verfolge die Fortschritte in der Branche ganz gespannt und bin immer offen für neue Ideen und innovative Materialien. Ich persönlich ernähre mich vegetarisch und empfinde unsere Gesellschaft in dieser Diskussion als zu resolut. Pauschalisierungen lohnen sich nie. Wenn wir die Tierhaltung und den Lederkonsum als per se schlecht kategorisieren, verlieren wir dadurch die Gelegenheit, Branchenübergreifend ins Gespräch zu kommen. Mein Wunsch ist es, dass die Wertschöpfungskette wieder nahbar, nachvollziehbar und gerecht wird. Die Produkte, die wir konsumieren, formen unsere Welt von Morgen. Und wenn der Verkauf von Lederprodukten, regionale Bio-Bauern unterstützt, weil sie wieder einen anständigen Preis für das Leder bekommen können, befänden wir uns, meiner Meinung nach, auf einem guten Weg. Bisher plane ich also nicht, vegane Taschen herzustellen, aber lassen wir uns überraschen!

Weitere Beiträge dieser Rubrik: Veröffentlichungen